Neu ist die Dürre am „größten Nadelöhr“ der Welt nicht. Doch dank des Wetterphänomens El Niño wird sie immer schlimmer. Frachtriesen müssen umdenken – und ihre Container teilweise anders transportieren.
Einerseits Hitze und Dürre, andererseits Überschwemmungen: Das ist die Vielfalt des Klimaphänomens El Niño. Regionen um Australien, Südostasien oder auch Südamerika sind betroffen von Stürmen und heftigen Regenfällen, in Zentralamerika hingegen herrscht oft eine extreme Dürre.
Besonders schlimm trifft es derzeit Panama: Dort gehört der Januar ohnehin zu den trockensten Perioden des Jahres, El Niño verschlimmert dies zusätzlich durch Dürre und hohe Temperaturen. Und das beeinträchtigt nun auch den Frachtverkehr: Mitte Januar gab die zuständige Behörde bekannt , künftig weniger Schiffe durch das „größte Nadelöhr der Welt“ passieren zu lassen.
Wieso die Dürre den Panamakanal austrocknet
Ausbleibende Regenfälle sind zu dieser Jahreszeit nichts Ungewöhnliches. Doch in den letzten Jahren hat der Klimawandel dafür gesorgt, dass die Regenfälle zunehmend schwerer zu prognostizieren sind und sich extremere Wetterphänomene ausbreiten. Lange Dürreperioden, gefolgt von extremen Niederschlägen und Überschwemmungen, sind die Folge.
Der Panama-Kanal ist davon in besonderem Maß betroffen – was auch an seiner Funktionsweise liegt : Containerschiffe passieren auf Höhe des Meeresspiegels die Eingangsschleuse des 82 Kilometer langen Kanals, die sich dann hinter ihnen schließt. Der somit abgeriegelte Kanal wird mit Süßwasser gefüllt. Anschließend öffnet sich vorne die Schleuse und die Schiffe werden durch das abfließende Wasser auf Höhe des Meeresspiegels entlassen. Dieses Verfahren ist notwendig, damit die Schiffe die sogenannte Kontinentale Wasserscheide passieren können, die geografische Grenze zwischen dem höher gelegenen Pazifik und dem niedrigeren Atlantik.
Der Panamakanal, der dieses Unterfangen möglich macht, wird durch mehrere Süßwasserseen gespeist. Und diese schrumpfen zunehmend zusammen: Steigende Temperaturen lassen den Wasserhaushalt von künstlich angelegten Seen wie dem Gatún-See sprichwörtlich verdampfen, während die unregelmäßigen und schwer vorhersagbaren Niederschläge es nicht ausreichend ausfüllen können.
Ein hausgemachtes Problem?
Doch die klimatischen Veränderungen sind nur ein Teil des Wasserproblems im Kanal. Denn um den Kanal zu befüllen, die Schiffe über die Kontinentalgrenze zu bringen und das Wasser anschließend in den Atlantik abzulassen, werden laut Berechnungen der „ New York Times “ jedes Mal knapp 190 Millionen Liter Wasser verbraucht.
Für die zuständige Behörde selbst ist das Süßwasser ein erheblicher Nachteil: Schließlich ist auf beiden Seiten, im Atlantik wie im Pazifik, Salzwasser in großen Mengen vorhanden. Und obwohl man sich des Problems bewusst ist, hat die Panamakanal-Behörde noch vor knapp acht Jahren zusätzliche Schleusen bauen lassen, um zusätzliche und vor allem größere Schiffe durch den Kanal zu bringen.
Huthi-Rebellen, Piraten in Somalia: Kaum Alternativen
Hinzu kommt eine weitere Zwickmühle: Wasserreservoire wie der Gatún-See sind eine der wenigen Quellen für sauberes Trinkwasser und versorgen damit die Hälfte des Landes. Und gerade diese Quelle trocknet durch die hohen Temperaturen und den enormen Wasserverbrauch zunehmend aus.
Doch einen Umweg können die wenigsten Frachter nehmen, alleine die Strecke zwischen New York und San Francisco wurde durch den Panamakanal von 25.000 Seemeilen auf knapp 10.000 verkürzt – von den asiatischen Schiffen ganz zu schweigen. Denn diese können dank des Kanals einfach den Pazifik überqueren, statt die Route über den ägyptischen Suezkanal oder das Kap der guten Hoffnung nehmen zu müssen. Knapp fünf Prozent des globalen Handels laufen über den Panamakanal.
Dass nun weniger Schiffe den Kanal passieren dürfen, ist nicht ungewöhnlich: Auch in vergangenen Dürreperioden hat die Panamakanal-Behörde den Zugang beschränkt, zum Beispiel für besonders schwere Schiffe, wenn wenig Wasser im Kanal war. Doch seit dem vergangenen Sommer werden auch Beschränkungen hinsichtlich der Zahl der Schiffe erhoben – und diese hat man im Januar nochmal verstärkt: Seit dem 15. Januar dürfen nur noch 24 Schiffe pro Tag und ein Schiff pro Kunde den Kanal passieren, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters .
Für Frachtriesen wie Maerks ist das ein großes Problem. Nicht nur gibt es weniger Slots für Frachtkonzerne und deren Schiffe, diese werden auch zunehmend teurer. Alternativen sind allerdings rar: Die Route über den Suezkanal dauert wesentlich länger. Außerdem haben vom Iran unterstützte Huthi-Rebellen aus dem Jemen seit Beginn des Gaza-Krieges begonnen, Fracht-Schiffe anzugreifen – angeblich, weil diese in Verbindung mit Israel stehen. Und die Route um das südafrikanische Kap der guten Hoffnung führt am Territorium somalischer Piraten vorbei, die ebenfalls gerne Frachtschiffe attackieren.
Hoffen auf einen neuen See
Befeuert wird das ganze durch El Niño . Denn dadurch erwärmt sich der Pazifik, was wiederum Auswirkungen auf den Pazifik, aber insbesondere die Regionen um den Äquator hat. Die Folgen des Klimaphänomens sind stark variierend: Auf den karibischen Inseln führt El Niño zu starken Regenfällen, doch die Pazifikküsten in Zentralamerika – also auch Panama – sind von starker Dürre betroffen. Auch Waldbrände können die Folge sein. Die Regensaison, üblicherweise von April bis November, fiel im vergangenen Jahr schwächer aus als sonst . Und genau das setzt dem Wasserreservoir des Kanals zu.
Die jahrzehntelange Waldrodung in Panama tut ihr Übriges: Dadurch sind die Böden weniger aufnahmefähig für große Wassermengen geworden, die dann in Form von Überschwemmungen durch das Land rauschen. Doch genau diese Wassermassen könnten den Seen eigentlich zugute kommen und deren reduzierte Pegel wieder auffüllen.
Eine Lösung: Ein weiterer, neuer See. Nahe des Indio könnte ein weiteres Reservoir dringend benötigtes Wasser für den Kanal liefern. Aber dafür müsste erst eine Gesetzesänderung her, die es der Behörde erlaubt, jenseits der bestehenden Seen einen neuen See anzulegen. Denkbar wäre auch, weiter entfernt liegende Seen anzuzapfen und das Wasser zum Kanal zu leiten – doch aus vielen dieser Quellen speisen sich bereits Wasserkraftwerke anzuzapfen. Stattdessen versucht die Kanalbehörde, nachhaltige Wiederaufforstung zu betreiben, um einen „Schwammeffekt“ für die betroffenen Seen zu schaffen. Ein solches Projekt zielt darauf ab, mit mehr Kaffeepflanzen auch die steigende Bodenerosion zu verhindern.
Viel Zeit bleibt ihnen nicht: Prognosen zeigen, dass neben zunehmenden Wetterextremen durch den Klimawandel die Dürre weiter befeuert und unberechenbarer wird. Und auch El Niño könnte in einer Wechselwirkung mit durch den Klimawandel erhitzenden Ozeanen schlimmer werden und den Panamakanal weiter austrocknen.
Quelle: Focus Online