Donnerstag, 11.01.2024, 20:08
Bei einem Krisengipfel mit Ärzten hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach durchsickern lassen, was sein Ministerium bald alles in der Arztpraxis ändern will. Millionen Menschen könnten profitieren, denn Ärzte sollen mehr Zeit für kranke Patienten investieren.
Kommt das Jahres-Rezept?
Chronisch Kranke müssen nicht mehr alle drei Monate für ein Rezept in die Praxis.
Bei Diabates, Herzkreislaufstörungen, Bluthochdruck, Asthma oder psychischen Erkrankungen müssen Patienten in der Regel alle drei Monate zum Arzt, um sich ein neues Rezept für Medikamente zu holen. Oft erhalten sie dafür bereits beim Abholen des Rezepts einen entsprechenden Termin. Das soll mit der geplanten Reform wegfallen.
Was ist gut daran? Patienten sollen dann seltener wegen eines Rezepts in die Praxis kommen. Möglich wäre, dass sie sich dann nur noch telefonisch melden müssen. Der Arzt kann außerdem auch Jahresrezepte ausstellen. Über das E-Rezept können die Patienten dann die entsprechenden Medikamenten direkt in der Apotheke abholen.
Was ist schlecht daran? In vielen Fällen wird bei chronisch Kranken erst nach einer Untersuchung ein neues Rezept ausgestellt. Der Arzt überprüft, ob die Medikamente noch wirksam sind. Stellt der Arzt ein Jahresrezept aus, müssen die Patienten die Untersuchungen weiterhin separat mit ihrem Arzt planen. Ob sich dadurch wirklich etwas für Ärzte und Patienten ändert, ist fraglich.
Mehr Telefon-Sprechstunden
Rezept per Anruf, Besprechung per Video für alle Patienten.
Die telefonische Krankmeldung ist erst der Anfang gewesen. Bald sollen Patienten auch für Rezepte, Überweisungen oder kleinere Behandlungsanfragen einfach anrufen oder sich per Video mit dem Arzt beraten können. Sie müssen also nicht mehr direkt zum Arzt gehen. Die maximal 15 Minuten, die jeder Arzt für ein einfaches Rezept mit Besprechung investiert, fallen dann weg.
Was ist gut daran? Dadurch sollen Ärzte mehr Termine für akute Notfälle anbieten und die Wartezimmer werden entlastet. Für die eigentlichen medizinischen Behandlungen soll dann mehr Zeit sein.
Was ist schlecht daran? Arztpraxen könnten zu bestimmten Zeiten auch reine Video- und Telefonsprechstunden anbieten. Die Vor-Ort-Sprechstunden für Kassenpatienten würden dann weiter reduziert. Die Folge? Es könnte länger dauern.
Kürzere Wartezeiten
Keine wochenlangen Wartezeiten mehr auf Termine beim Augen-, Haut- oder Frauenarzt.
Wer einen Facharzt braucht, muss als Kassenpatient oft sehr lange auf einen Termin warten. Eine Überweisung zum Facharzt, entsprechende Programme der Krankenkassen oder ein Anruf beim Patientenservice 116 117 können die Wartezeit zwar verkürzen, aber es dauert einfach zu lange, bis man einen Termin bekommt. Das Bundesgesundheitsministerium schafft mehr Anreize für Arztpraxen, Patienten auch telefonisch zu beraten und von zu Hause aus zu arbeiten.
Was ist gut daran? Patienten erhalten leichter einen Termin – auch per Telefon oder Video. Ärzte können schneller Therapien, Überweisungen oder Behandlungen vorschlagen. Das spart wertvolle Zeit.
Was ist schlecht daran? Viele Menschen brauchen den direkten Kontakt zum Arzt. Gerade ältere Menschen können mit Videotelefonie wenig anfangen. In vielen Fällen fühlen sich Patienten auch sicherer, wenn der Arzt direkt zum Stethoskop greift oder sich bestimmte Körperstellen vor Ort anschaut. Home-Office-Regelungen führen dazu, dass Ärzte an bestimmten Tagen nicht mehr in der Praxis sind. Die Folge? Weniger Sprechstunden vor Ort und damit längere Wartezeiten.
Hausarztpraxen werden entlastet – gut für Patienten
Hausarztpraxen sollen von den Budget-Obergrenzen befreit werden.
Lauterbach hatte nach einem Krisentreffen mit Ärzteschaft und Krankenkassen am Dienstagabend angekündigt, dass die geltenden Obergrenzen bei der Bezahlung von Hausärzten entfallen sollen. Diese Regelung wurde eingeführt, damit die Kosten für die ambulante Versorgung nicht aus dem Ruder laufen.
Was ist gut daran? Hausarztpraxen könnten dann mehr Anreize erhalten, gesetzlich Versicherte aufzunehmen. Bisher war die Deckelung des Budgets ein No-Go. War das Geld aufgebraucht, arbeiteten die Ärzte oft umsonst.
Was ist schlecht daran? Diese Regelung gilt nur für Hausarztpraxen. Für Facharztpraxen soll es weiterhin Budgets geben. Beim Zahnarzt, Kardiologen, Augenarzt oder Hautarzt dauert es noch länger. Nach einer Auswertung aus dem Jahr 2022 hatten die Krankenkassen rund 46 Milliarden Euro für ärztliche Behandlungen ausgegeben.
Ärzte kündigen Proteste an
In der Ampel-Koalition sind die jüngsten Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für eine bessere hausärztliche Versorgung unterschiedlich aufgenommen worden. Während die SPD auf eine schnelle Umsetzung der Pläne setzt, werden in der FDP-Bundestagsfraktion die Forderung nach einer besseren Bezahlung auch von Fachärztinnen und -ärzten laut.
Da Lauterbach allerdings den Honorardeckel bei den weiteren Facharzt-Gruppen nicht aufheben will, hatte sich bereits der Vorsitzende des Verbands der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Deutschlands (Virchowbund), Dirk Heinrich, unzufrieden mit den Vorschlägen gezeigt. Heinrich kündigte weitere Ärzteproteste an. Die Proteste müssten weitergehen, „wenn nicht die gesamte ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte in den Blick genommen wird“.
Quelle: Focus Online