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Ent­kri­mi­na­li­sie­rung zum 1. April 2024

Kleinere Konsumverbotszonen, größere erlaubte Menge beim Eigenanbau, dafür aber auch Strafverschärfungen, wenn es um Minderjährige geht: Die Ampel hat sich auf diverse Änderungen des Cannabisgesetzes verständigt.

 

Nach zähem Ringen haben sich die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Änderungen des geplanten Cannabisgesetzes (CanG) geeinigt. Wegen der aktuellen Turbulenzen rund um den Bundeshaushalt und geänderter Prioritätensetzung in der Bundespolitik war zunächst befürchtet worden, dass das Cannabis-Vorhaben in der Ampelplanung bis auf weiteres hinten runterfällt.

Dem ist jedoch nicht so: Das Gesetz soll in der Sitzungswoche Mitte Dezember (Kalenderwoche 50) im federführenden Gesundheitsausschuss beraten und dann in derselben Woche noch final im Bundestag verabschiedet werden. Die Regelungen zur Entkriminalisierung sollen ab dem 1. April 2024 gelten, die Regelungen zu den neuen Anbauvereinigungen, in denen Mitglieder Cannabis erwerben können, jedoch erst ab Juli 2024. Die Vorlage für den Gesundheitsausschuss mit Erläuterungen liegt LTO vor und kann hier heruntergeladen werden.

Die Änderungen selbst wie auch der mit ihnen verbundene Zeitplan waren mit Spannung erwartet worden. Schließlich hatten sich die Fachpolitiker der Fraktionen, vor allem von FDP und Grünen, für massive Änderungen an dem aus ihrer Sicht zu rigidem Gesetz von Karl Lauterbach (SPD) ausgesprochen. Einige Korrekturen vermochten sie nunmehr in den Verhandlungen mit dem BMG durchzusetzen. Allerdings sind auch neue Strafverschärfungen vorgesehen.

Konsum außerhalb der Sichtweite von Schulen erlaubt

Entschärft wurden die Konsumverbote in der Nähe von Schulen, Kindergärten, Spielplätzen und den neuen Anbauvereinigungen (“Cannabis-Clubs”). Hier galt im alten Entwurf noch ein Abstand von mindestens 200 Metern, ab dem bedenkenlos gekifft werden konnte. Nach der Änderung ist der Konsum nun nur noch “in Sichtweite” der Einrichtungen verboten. Klargestellt wird außerdem, dass eine Sichtweite bei einem Abstand von mehr als 100 Metern von dem Eingangsbereich der jeweiligen Einrichtung nicht mehr gegeben ist. Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), begrüßte die Korrektur: “So verringern wir den Kontrollaufwand für die Polizei, schaffen mehr Klarheit für Konsumierende, ermöglichen Patient:innen, ihr Medikament einzunehmen, und schützen Kinder und Jugendliche.”

Eine weitere Änderung betrifft die erlaubte Menge, die aus dem Cannabis-Eigenanbau resultiert. Grundsätzlich ist Erwachsenen künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum erlaubt. Möglich werden soll zusätzlich der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zwecks Eigenkonsums. Diesbezüglich war an der erlaubten Besitzmenge von 25 Gramm Kritik geübt worden, da sich aus drei Pflanzen oft wesentlich mehr berauschendes Cannabis gewinnen lässt.

50 Gramm Eigenanbau-Cannabis zu Hause erlaubt

Auf diese Kritik hat die Ampel nun reagiert und die erlaubte Menge aus dem Eigenanbau aus bis zu drei Pflanzen auf 50 Gramm erhöht. Außerdem wird klargestellt, dass die Grenze sich auf die getrocknete Menge bezieht. “Dadurch wird ermöglicht, dass eine Cannabispflanze aus dem privaten Eigenanbau so weit geerntet werden kann, dass mit ihrer Ernte die zulässige Besitzmenge von 25 Gramm getrocknetem Cannabis im öffentlichen Raum und 50 Gramm getrocknetes Cannabis am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ausgeschöpft werden kann”, heißt es zur Erläuterung in der Vorlage für den Ausschuss.

Im Zusammenhang mit dem Besitz von Cannabis ist eine leichte Entschärfung bei den Sanktionen vorgesehen: So droht denjenigen, die die erlaubten Mengen geringfügig überschreiten, nicht mehr (wie im Regierungsentwurf noch vorgesehen) eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Sie begehen nach den Änderungen künftig keine Straftat mehr, sondern nur noch eine Ordnungswidrigkeit. “Es wird eine geringe Menge von bis zu 30 Gramm im öffentlichen und bis zu 60 Gramm in der Wohnung definiert, sodass bei geringfügiger Überschreitung der Besitzgrenzen nicht gleich die Strafbarkeitskeule droht”, erläutert Kappert-Gonther.

Nach unten angepasst wird auch die maximale Höhe des oberen Bußgeldrahmens von 100.000 Euro auf 30.000 Euro. Die maximale Höhe des unteren Bußgeldrahmens wird von 30.000 Euro auf 10.000 Euro abgesenkt. “Die Absenkung trägt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung”, heißt es in der Vorlage.

Aufgehoben wird auch ein speziell im Konsumcannabisgesetz (KCanG) normiertes Gebot der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme beim privaten Eigenanbau von Cannabis, etwa durch Geruchsbelästigungen. Hier wird jetzt auf die geltenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verwiesen, die nach Ansicht der Ampel ausreichen: Das Ziel, Belästigungen für Nachbarn zu unterbinden, sei bereits von den §§ 906, 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie dem aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) folgenden Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme in Nachbarschaftsverhältnissen umfasst.

Höhere Strafen zum Schutz Minderjähriger

Über einige Änderungen freuen dürften sich auch Strafverfolger und diejenigen, die auf höhere Strafen pochten, wenn Minderjährige im Spiel sind. Mit Blick auf den Schutz dieser jungen Menschen hat man sich auf etliche Nachschärfungen verständigt. “Das Dealen mit Cannabis ist selbstverständlich weiterhin verboten, insbesondere die Abgabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche wird künftig noch konsequenter verfolgt und bestraft werden”, so die drogenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Kristine Lütke gegenüber LTO.*

In der Begründung heißt es dazu: “Kinder und Jugendliche sind eine besonders vulnerable Gruppe der Bevölkerung. Sie sind in besonderem Maße durch Erwachsene und Trends beeinflussbar. Die vor allem neurotoxischen Effekte in sich entwickelnden Gehirnen und kardiovaskulären Schädigungen durch Betäubungsmittel können vielschichtige gesundheitsschädigende Folgen für das gesamte spätere Leben hervorrufen.” Erwachsene über 21 Jahre trügen als voll schuldfähige und verantwortliche Mitglieder der Gesellschaft eine besondere Mitverantwortung für Kinder und Jugendliche.

Konkret heißt das: Wenn über 21-Jährige künftig Minderjährige zum Anbau oder Kauf von Cannabis anstiften oder ihnen dabei helfen, wird dies als besonders schwerer Fall eingestuft und es droht ihnen eine Freiheitsstrafe von drei Monate bis fünf Jahre. Heraufgesetzt wird auch die Mindeststrafe für eine gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis an Minderjährige von einem Jahr auf zwei Jahre. Zudem erhöht sich die Mindeststrafe für Qualifikationstatbestände der organisierten Kriminalität von einem Jahr auf zwei Jahre Freiheitsstrafe, wenn über 21-Jährige einen oder mehrere Minderjährige zu bandenmäßigem Vorgehen oder zum Gebrauch von Schusswaffen oder gefährlichen Gegenständen animieren.

Weiter soll durch Einfügen eines neuen Tatbestandes im Betäubungsmittelgesetz (BtMG, § 30 Abs. 1 Nr. 5) der Strafrahmen für die Abgabe, das Verabreichen und das Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch durch Erwachsene (älter als 21 Jahre) an Minderjährige von einem Jahr auf zwei Jahre Mindeststrafandrohung erhöht werden. Voraussetzung hierfür: Der Täter handelt vorsätzlich und gefährdet dadurch wenigstens leichtfertig ein Kind oder eine jugendliche Person in der körperlichen, geistigen oder sittlichen Entwicklung schwer.

Weitreichende Ermittlungsbefugnisse

Den Wünschen der Strafverfolgungsbehörden kommt die Ampel ebenfalls entgegen, etwa durch Ergänzungen in der Strafprozessordnung (§§ 100a ff. StPO). Bei schweren cannabisbezogenen Straftaten sollen verdeckte Ermittlungsmaßnahmen wie u. a. Telekommunikationsüberwachung oder Online-Durchsuchung erhalten bleiben. Erlaubt werden soll auch die Durchsuchung von Räumen zur Nachtzeit, wenn im Zusammenhang mit Cannabis typische Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität auftreten.

Bei schweren Cannabisdelikten, die der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind oder den Jugendschutz konterkarieren, soll die Anordnung von Untersuchungshaft aufgrund von Wiederholungsgefahr ermöglicht werden. Entsprechende Begehungsformen aus dem KCanG und dem Medizinalcannabisgesetz werden in § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO aufgenommen.

Keine Mitgliedschaft für ausländische Gaststudenten in Cannabisclubs

Im Zusammenhang mit den neu entstehenden Anbauvereinigungen gibt es eine Reihe von Korrekturen und Anpassungen. Insgesamt aber hat sich an der der kleinteiligen Regulierung nicht viel geändert. Weiter darf in den Vereinigungen selbst und um sie herum (“in Sichtweite”) nicht konsumiert werden. Allerdings werden Abstände zwischen den Clubs nicht vorgeschrieben, “damit Clubs auch in Ballungsräumen die Chance haben, sich zu gründen”, wie Kappert-Gonther erläutert. “Da ein umfangreiches Werbeverbot gilt und die Clubs von außen nicht erkennbar sind, ist es so pragmatischer.”

Präzisiert wird im Gesetz auch, dass die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung einen Aufenthalt von mindestens sechs Monaten in Deutschland voraussetzt. Damit trägt die Ampel u. a. einem Petitum von Frankreich Rechnung: Es soll verhindert werden, dass Studierende und andere Personen, die nur vorübergehend einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, Mitglieder einer Anbauvereinigung werden und somit Cannabis konsumieren dürfen.

Straßenverkehr: Änderung der Fahrerlaubnisverordnung geplant

Mit Blick auf den Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr hat sich die Koalition auf eine Änderung der Fahrerlaubnisverordnung verständigt. Damit soll verhindert werden, dass schon der gelegentliche Konsum von Cannabis zur Anordnung einer Medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) führen kann. Zur Begründung heißt es: “Hierdurch wird sichergestellt, dass die begrenzte Zulassung des Besitzes und des Konsums von Cannabis nicht dazu führt, dass nun zum Beispiel jedes Mitglied einer Anbauvereinigung Gefahr läuft, einem Fahreignungsgutachten unterzogen zu werden und so jedenfalls für Führerscheininhaber und -bewerber kein Anreiz für die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung besteht, sich ihre Situation also de facto im Ergebnis nicht verbessert. Eine solche strenge Regelung ist auch im Sinne der Straßenverkehrssicherheit bei Cannabis nicht erforderlich.”

Hinsichtlich des THC-Grenzwertes erwartet die Ampel bis zum 31. März 2024 – wie geplant – einen entsprechenden Vorschlag aus dem Bundesministerium für Verkehr und Digitales. Die Festschreibung des Grenzwerts erfolge anschließend durch den Gesetzgeber. “Aufgrund der begrenzten Zulassung des Besitzes und des Konsums von Cannabis mit diesem Gesetz ist es erforderlich, das bisherige absolute Verbot des Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss von Cannabis durch eine Regelung zu ersetzen, die – wie die 0,5-Promille-Grenze – einen Grenzwert für die durch den Cannabiskonsum hervorgerufene Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut festlegt.”

Gestuftes Inkrafttreten, “Säule-2-Gesetz” steht noch aus

Vereinbart haben SPD, Grüne und FDP weiter neben diversen Regelungen, die den Umgang mit medizinischem Cannabis sowie die Evaluierung und Forschung betreffen, jetzt auch ein gestuftes Inkrafttreten des Gesetzes.

Demnach tritt das Gesetz am 1. April 2024 in Kraft, soweit es die Entkriminalisierung betrifft. Vorschriften, die den gemeinschaftlichen Eigenanbau sowie die Weitergabe und Entgegennahme von Cannabis in den neuen Anbauvereinigungen betreffen, sollen erst ab dem 1. Juli 2024 gelten. Mit diesem Aufschub soll den Ländern ermöglichet werden, das Verfahren und die Behörden festzulegen, die für die Durchführung des Erlaubnisverfahrens und der behördlichen Überwachung von Anbauvereinigungen zuständig sein sollen, und erforderliche Schulungsmaßnahmen für diese Behörden vorzunehmen. Ein solches späteres Inkrafttreten hatte insbesondere der Bundesrat gefordert.

Mit dem CanG (“Säule-1”) ist das Vorhaben Cannabis-Legalisierung unterdessen längst nicht beendet. Schließlich hatte der Bundesgesundheitsminister für “nach der Sommerpause” das “Säule-2-Gesetz” angekündigt. Dieses sieht regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor und wird voraussichtlich der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt. Noch liegt dazu allerdings noch nicht einmal ein Eckpunktepapier vor.

Grüne und FDP erinnerten Lauterbach am Montag daran: “Wichtig ist aus meiner Sicht, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach zeitnah nach der Verabschiedung des Gesetzes zu Säule-1 konkrete Eckpunkte oder einen Gesetzentwurf zu Säule-2 vorlegt”, mahnte Lütke. Und auch Grünen-Politikerin Kappert-Gonther erinnerte den Minister an die noch ausstehende Arbeit: “Weiterhin gilt, dass das BMG in der zweiten Säule der Cannabisgesetzgebung einen Entwurf für die Abgabe von Cannabis in wissenschaftlichen Modellprojekten vorlegen soll.”*

 

Quelle: LTO

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